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Lahmheit
Erste Hilfe bei Lahmheiten
„Mein Pferd geht lahm – was kann die Ursache sein – wann soll ich den Tierarzt rufen – kann ich noch abwarten- was kann ich selbst tun?"
Ein Besitzer steht vor unzähligen Fragen sobald ein Pferd nicht mehr im Takt läuft oder sogar auf drei Beinen humpelt. Man kann aufgrund der Vielzahl von möglichen Ursachen und ebenso zahlreichen Sonderfällen kein Rezeptbüchlein für Lahmheiten erstellen, aber man kann dennoch eine kleine Entscheidungshilfe an die Hand geben.
Lahmheiten sind meist ein Zeichen für Schmerzen im Bewegungsapparat, selten handelt es sich um eine reine mechanische, also nicht schmerzhafte Störung (z.B. Sehnenverkürzung) oder um Schädigungen am Nervensystem (z.B. Ataxie, Radialislähmung). Für den Laien ist die Ursache einer Lahmheit von Außen nicht erkennbar, es sei denn es handelt sich um eine sichtbare Verletzung. Von kleinem Kratzer bis zu großen Wunden oder sogar herausstehenden Knochenenden sind die Erste Hilfe Maßnahmen den meisten Pferdehaltern klar. Aber wie kann man nun bei Lahmheiten ohne äußere Verletzungen die richtige Entscheidung für das weitere Vorgehen treffen?
1. Durch genaue Beobachtung und Bestimmung der Lahmheitsstärke
Lahmheitstärke |
Symptome |
mögliche Ursachen |
Geringgradige Lahmheiten |
Leichte bis mittlere Taktunreinheiten im Trab, sichtbar erst nach Belastung |
Leichte Prellungen, Verstauchungen, leichte bis mittelschwere Sehnenprobleme, anfangsphase vieler chronischer, orthopädischer Probleme wie Spat, Hufrollenprobleme, Überbeanspruchung (Muskelkater)
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Mittelgradige Lahmheiten |
Deutliche Taktunreinheit im Trab, deutlich verstärkte Nickbewegung des Kopfes, Lahmheit oft schon im Schritt erkennbar |
Haarrisse im Knochen, Sonderfälle von Knochenbrüchen, starke Prellungen und Verstauchungen, mittelschwere bis schwere Sehnenprobleme, fortgeschrittene, orthopädische Erkrankungen, Anfangsphase von Hufgeschwüren. |
Hochgradige Lahmheiten |
Sehr deutliche Lahmheit schon im Schritt oder gar Vermeidung einer Belastung der erkrankten Gliedmaße |
Knochenbrüche, Nageltritte, Hufgeschwüre, schwere Gelenkentzündungen |
Zu beachten ist, dass einige Lahmheitsursachen, die beide Vorder- oder beide Hintergliedmaßen betreffen können (z.B.: Hufrehe, Hufrollenerkrankungen, Spat), häufig nicht den Schmerzen entsprechende Lahmheiten zeigen, sondern sich eher in einem nicht mehr so schwungvollen Gangbild äußern. Bei einer Hufrehe sind meist beide Vorderhufe betroffen (nur selten einseitig oder an den Hinterhufen), die Pferde lassen sich nur unwillig bewegen und strecken die Vorderbeine in typischer Haltung nach vorne. Bei Verdacht auf Hufrehe ist der Tierarzt sofort zu verständigen.
Bei geringradigen Lahmheiten kann der weitere Verlauf für einige Tage beobachtet werden.
In dieser Zeit kann das Pferd im Schritt geritten oder an der Hand geführt werden. Um zu testen ob die Lahmheit noch besteht, kann auch kurz angetrabt werden. Unkontrollierte Bewegungen wie auf der Koppel oder beim „Laufen-lassen" in der Halle sind bei keiner Art von Lahmheit heilungsfördernd! Kleinere Probleme wie leichte Prellungen, Verstauchungen oder ein Muskelkater (etc.) werden innerhalb kurzer Zeit verschwinden. Schwerwiegendere Erkrankungen zeigen keine Besserung. Hier ruft man den Tierarzt zu Hilfe.
Mittelgradige Lahmheiten sind immer ein Fall für den Tierarzt.
Es ist ausreichend, wenn dieser am nächsten oder übernächsten Tag seinen Besuch plant. Das Pferd sollte bis dahin höchstens im Schritt an der Hand für nur kurze Zeit geführt werden. Am sichersten ist Boxenruhe.
Einen Notfall stellen hochgradige Lahmheiten dar.
Hier sollte das Pferd nicht oder so wenig wie möglich bewegt werden bis der Tierarzt eintrifft. Die Lahmheitsstärke sollte dem Tierarzt schon am Telefon beschrieben werden, damit dieser dann entscheiden kann ob er sofort oder im Verlauf des Tages kommen muss. Tritt das Pferd während eines Ausritts überhaupt nicht mehr auf, sollte der Tierarzt möglichst an Ort und Stelle kommen.
Kann neben der Lahmheitsstärke auch noch das lahmende Bein erkannt werden, ist es sicherlich nicht schädlich eine Stallbandage anzulegen und/oder die betroffene Gliedmaße mit einem stark heparinhaltigen Gel einzureiben (kein heparinhaltiges Gel auf offene Wunden!!!). Man wird in mehr als der Hälfte der Fälle eine Heilung begünstigen auch ohne die genaue Diagnose zu kennen, da bei über 2/3 der Lahmheiten die Ursache unterhalb des Vorderwurzel- bzw. Sprunggelenks zu finden ist. Die Wärme der Stallbandage und das Heparin beschleunigen den Stoffwechsel und den Abbau von schädlichen Stoffen und Blutergüssen im Gewebe.
2. Durch das Erfühlen von Veränderungen:
Durch das Abtasten der Beine kann die erste Einschätzung der Lahmheit oft noch verbessert oder abgesichert werden. In folgender Tabelle sind die häufigsten Tastbefunde an der Gliedmaße aufgeführt. Findet man diese Befunde nicht an seinem lahmenden Pferd, kann man nicht die dazugehörigen Ursachenvorschläge ausschließen. Ein Umkehrschluss ist also nicht zulässig.
Tastbefund |
mögliche Ursachen |
Erste Hilfe |
Kalte Umfangsvermehrung in der Nähe von Gelenken |
Chronische, nicht aktive Gelenks- oder Schleimbeutelerkrankung, meist schon länger bestehend, (z.B. Piephacke, Kreuzgalle...) |
Tierarzt zur röngenologischen Abklärung je nach Lahmheitsgrad einplanen, wärmende Stallbandage oder Stützverband, an höheren Gelenken Einreibung mit heparinhaltigem Gel |
Heiße schmerzhafte, geschwollene Gelenke oder sonstiges Gewebe |
Akute Gelenksentzündung, Schleimbeutelentzündung, lokale Gewebeentzündung, )z.B. Anfangsphase bei "Einschuss"), aber auch Verdacht auf Knochenbruch bei entsprechender Lahmheitsstärke |
Tierarzt am selben Tag bestellen, kühlen mit kaltem Wasser, Eisbeuteln o.ä., Stützverband evtl. mit heparinhaltigem Gel. |
Beugesehen (an der Rückseite des Röhrbeins) heiß oder geschwollen oder schmerzempfindlich |
Akute Sehnenentzündung, Sehnenscheidenentzündung, Sehnenanriss/Sehnenabriss |
Tierarzt am selben Tag bestellen, kühlen mit kaltem Wasser, Eisbeuteln o.ä., Stützverband evtl. mit heparinhaltigem Gel. |
Pulsation am Fesselkopf und/oder heißer Huf |
Hufgeschwür, Hufrehe, Nageltritt, Entzündungen im Hufbereich |
Tierarzt zur Abklärung je nach Lahmheitsgrad einplanen, bei Verdacht auf Nageltritt oder Hufrehe sofort anrufen, Huf genau untersuchen (Nageltritt ?, Fremdkörper stecken lassen! Höchstens auf Hufniveau kürzen, heisse Hufe können mit Wasser gekühlt werden, falls möglich Hufverband, evtl. diesen angießen |
Schmerzhafte, knochenharte Schwellung an Kronbein oder Fesselbein |
Aktivierte "Schale" oder "Leist" |
Tierarzt zur Abklärung je nach Lahmheitsgrad einplanen, wärmende Stallbandage anlegen |
Harte Auftreibung am Knochen |
Überbein, jedoch oft nicht dieLahmheitsursache |
Tierarzt zur Abklärung je nach Lahmheitsgrad einplanen |
Ganzes Bein angeschwollen und schmerzhaft |
"Einschuss" |
Tierarzt am selben Tag bestellen, Fieber messen, hohen Verband mit heparinhaltigem Gel anlegen |
Griffelbein druckempfindlich |
Griffelbeinbruch |
Stützverband, Tierarzt zur Abklärung in den nächsten Tagen einplanen |
Bei Körperteilen die plötzlich heiß erscheinen hat es einen positiven Effekt, wenn man sie in den ersten 24-48 Stunden mit kaltem Wasser kühlt und/oder mit heparinhaltigem Gel einreibt.
Keine eigenmächtige Verabreichung von Schmerzmitteln!!
Erschwert dem Tierarzt das Finden der Ursachen.
Da Pferde nicht „vernünftig" handeln können, ist Schmerz oft ein wichtiger Schutzmechanismus, der vor möglichen weiteren Schäden bewahrt.
Also: erst der Tierarzt, dann das Schmerzmittel!
Keine heparinhaltigen Einreibungen auf offenen Wunden!
Pferde mit Verbänden oder Stallbandagen nicht auf die Koppel oder „Laufen-lassen".
Verbände oder Bandagen können verrutschen (weitere Unfallgefahr) oder die darunter liegende Haut wundscheuern.
Auch bei den kleinsten Verletzungen immer an den Tetanusschutz denken!
Lahmende Pferde sind ohne tierärztliche Diagnosestellung immer aus dem Training zu nehmen.
Nur bei bestimmten Diagnosen ist es sinnvoll, ein vom Tierarzt vorgeschlagenes Bewegungspensum trotz Lahmheit einzuhalten (z.B. bei Spat).
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